Lesereise Wien by Hubert Nowak
Autor:Hubert Nowak
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Picus Verlag
veröffentlicht: 2018-03-06T16:00:00+00:00
Zwischen Künstlern und Skeletten
Von prominent besetzten Kaffeekränzchen über den Gängen voll mit Mumien
Das ist der morbideste Ort Wiens, hat einmal jemand befunden. Das heißt etwas, bei dem bekannt engen Verhältnis der Wiener zum Morbiden, zu den Toten, zu allem, was mit dem Tod zusammenhängt. Nur dreizehn steile Stufen geht man hinunter, tief geduckt, und ist in einer anderen Welt. Der der Toten von vielen Jahrhunderten.
Lange Reihen von Holzsärgen, viele bunt bemalt, mit barocken Ornamenten, manche offen, die Leichen darin sind mumifiziert. Breite Gewölbegänge, aber gerade einmal so hoch, dass man aufrecht gehen kann. In größeren Kammern stehen Gruppen von Metallsärgen, aus Kupfer oder ZinnBlei-Legierungen, manche reich verziert, manche aufgebrochen. In Nischen sind Berge von Knochen aufgeschlichtet, Oberschenkel, dazwischen Hüften, Arme. Da ragen Finger heraus, dazwischen Schädel. Große Löcher, wo einmal Augen das Sonnenlicht gesehen haben, starren dunkel dem Besucher entgegen.
Die Gruft unter der Michaelerkirche, nahe der Hofburg, war neben der Stephanskirche die wichtigste Begräbniskirche Wiens. Von den Tausenden Bestattungen im Lauf der Jahrhunderte unter der Kirche haben sich etwas mehr als zweihundert Särge einigermaßen gut erhalten. Die anderen sind zu Staub zerfallen, Reste von Holz und Gebeinen wurden mit immer neuen Schichten aus Lehm und Sand notdürftig bedeckt.
Etwas besser ging es den Bestatteten in den sogenannten Katakomben der Stephanskirche. Dort ist mehr Ordnung, Teile der Gänge sind heute nobel gepflastert. Das war immer schon der größere und noch prominentere Friedhof. Dort liegen rund zehntausend Tote. Ebenfalls viele Namenlose, aus zerfallenen Truhen auf Berge geschlichtet, aber auch Adelige und die Bischöfe. Nahe dem Sarkophag des Gründungsherrn von St. Stephan, Herzog Rudolf IV. (gest. 1365), befinden sich die Eingeweide der Habsburger. Sechsundsiebzig Kupferurnen stehen in der Herzogsgruft, von Kaiser Matthias (gest. 1619), dem Gründer der Kapuzinergruft, über Kaiserin Maria Theresia (gest. 1780) bis zu Erzherzog Franz Karl (gest. 1878), dem Vater von Kaiser Franz Joseph. Die späteren Mitglieder des Hauses Habsburg wurden dank besserer Methoden schon mitsamt den Eingeweiden einbalsamiert. Die durchlauchten Leiber des Kaiserhauses ruhen in der Kapuzinergruft, in zumeist prunkvollen Särgen und wohlgeordnet. Deren Herzen, wieder extra, in Urnen in der »Herzlgruft« in der Augustinerkirche, oder, als Referenz an die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie, in der Krypta des Benediktinerklosters Pannonhalma. Die Herzen des letzten Kaisers von Österreich, Karl I. (gest. 1922) und seiner Frau Zita (gest. 1989) liegen im Schweizer Kloster Muri.
So viel verwirrendes Aufheben machte man mit Normalsterblichen nicht. Alle mussten unter die Erde, aber der Platz war knapp in der engen Stadt. So wurden die Gewölbe unter den Kirchen zum Friedhof. Mit den Katakomben beim Stephansdom hat man sich auch immer mehr unter das Gelände außerhalb des Domes vorgearbeitet, bei der Michaelerkirche blieb man weitestgehend innerhalb der Fundamente. Vier Kirchendiener mussten, so wird aus dem achtzehnten Jahrhundert berichtet, immer wieder über die Gruftdeckel einsteigen und die Grüfte räumen. Zehn Gulden bekamen sie für das Aufschlichten der Knochen. Dennoch lagen viele Särge oder deren Trümmer kreuz und quer übereinander, als die Salvatorianer das Kloster 1923 von den ausgezogenen Barnabiten übernommen haben. Lange hat sich niemand um die Toten geschert, gelegentlich wurden Schäden in der Gruft notdürftig behoben.
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